Die alte Holunderfrau

Holunderbüsche gibt es in verschiedenen Arten auf der gesamten Nordhalbkugel. Sie bergen sehr starke Zauberkräfte in sich. Die Blüten, Beeren und sogar das Holz können als Grundstoff für verschiedene Salben und Getränke in der weißen wie in der schwarzen Magie dienen. Der Stecken, der in das Herz eines Vampirs gejagt werden muß, damit er mit seinen Raubzügen aufhört, sollte möglichst aus dem Stamm eines jungen Holunders gemacht sein. Die Zauberkräfte des Holunders wurden dem sicheren Vergessen durch die Alte Frau vom Holunder entrissen, deren Geist in jedem einzelnen Holunderbusch lebt. Sie stammt aus Dänemark, der ursprünglichen Heimat des Holunders, gelangte aber auch in viele andere Gegenden der Welt. In Deutschland gibt es den Brauch, die Hollin mit gezogenem Hut zu begrüßen, wenn man an einem Holunderstrauch vorbeikommt.

Menschen sehen sie nur selten, höchstens im Frühling, wenn ein Hollerwäldchen an den vielen weißen Blüten halb erstickt, oder im Herbst, wenn die Äste sich biegen unter der schweren Last der reifen Beeren. Wer sie im Licht des Vollmonds zur Zeit der herbstlichen Tagundnachtgleiche sieht, schildert sie als ein kleines humpelndes Wesen. Sie trägt einen Rock, der so schwarz ist wie die Hollerbeeren, und eine Mütze und einen Schal, die so weiß sind wie die Blüten des Holunderstrauchs. Sie stützt sich auf einen knorrigen Stab aus einem Holunderast.

Es ist ausgesprochen unpassend, das Holz eines Holunders zu etwas anderem zu verwenden als zu Zauberstäben, Wünschelruten oder ähnlichen Dingen. Ein Säugling, der in einer Wiege aus Holunderholz liegt, wird niemals gedeihen; Möbel aus Holunderholz verwerfen sich rasch und fallen in sich zusammen, und ein Haus, dessen Dachschindeln aus Holunderholz bestehen, wird niemals glückliche Tage erleben.

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